ArbeitsrechtKündigung wegen Äuße­rungen im Privatchat unwirksam

Oktober 21, 2021

In privaten Chats wird oftmals etwas geschrieben, ohne sich großartig Gedanken hierüber zu machen. Hin und wieder werden auch Äußerungen getroffen, die dem Arbeitgeber nicht gefallen und die dieser besser nicht mitbekommen sollte. Doch was passiert, wenn dem Arbeitgeber eine solche Bemerkung auffällt und er wegen diesen Äußerungen im Privatchat eine Kündigung ausspricht – etwa weil die Äußerung abfällige Bemerkungen über Vorgesetzte, Mitarbeiter oder Kunden enthält – ?

Mit dieser Frage musste sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urt. v. 19.07.2021, Az. 21 Sa 1291/20) auseinandersetzen. Kläger war der technischer Leiter eines gemeinnützigen Vereins für Flüchtlingshilfe, dem wegen privater Äußerungen auf Privatchat gekündigt wurde. Das Gericht hat die Kündigung wegen Äußerungen im Privatchat für unwirksam erklärt – gleichwohl löste es das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung auf.

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Sachverhalt

Der überwiegend in der Flüchtlingshilfe tätige Verein erfuhr im Zuge der Kündigung eines anderen Mitarbeiters, dass sich der technische Leiter mit zwei weiteren Angestellten „in menschenverachtender Weise über Geflüchtete“ äußerte und sich „herabwürdigend über Helferinnen und Helfer“ ausließ. Der Verein kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit dem technischen Leiter fristgemäß.

Der gekündigte technische Leiter erhob anschließend eine Kündigungsschutzklage. Dieser Klage wurde vor dem LAG aus folgenden Gründen stattgegeben:

Vertraulichkeit der Kommunikation 

Das LAG erklärte die Kündigung für unwirksam, da eine die Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung nicht vorliege. Zunächst bewertete das Landesarbeitsgericht den Status der privaten Chats. Grundsätzlich seien die getätigten Äußerungen vor Gericht verwertbar, jedoch rechtfertigten sie keine Kündigung. Zur Begründung führt das Gericht an, dass die Kommunikation vertraulich gewesen ist. Der Chat falle unter den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, da er

  • in einem sehr kleinen Kreis stattgefunden habe (drei Personen),
  • mit dem Privathandy geschrieben worden sei und
  • eine Weitergabe nicht angestrebt gewesen sei.

Äußerung haben auf Eignung zur Tätigkeit keinen Einfluss

Die Richter urteilten, dass diese Äußerung nicht zu einer fehlenden Eignung für die Tätigkeit führen würde. Als technischer Leiter sei der Gekündigte keinen besonderen Loyalitätspflichten unterworfen. Begründet wurde dies mit dem Hinweis, dass er als technischer Leiter keine unmittelbaren Betreuungsaufgaben habe. Zudem ergebe sich laut Gericht aus den Äußerungen keine fehlende Verfassungstreue. Diese sei für Angestellte eines Vereins, der Teil des öffentlichen Dienstes ist, verpflichtend.

Kündigungsschutzklage erfolgreich – aber trotzdem keine Weiterbeschäftigung

Auch, wenn die Kündigung nicht wirksam erging, löste das LAG auf Antrag des Arbeitgebers den Arbeitsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung auf (sog. Auflösungsabfindung). „Die Voraussetzungen einer ausnahmsweise möglichen gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses lägen hier vor. Es sei im Sinne des § 9 KSchG keine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zu erwarten. Da die schwerwiegenden Äußerungen öffentlich bekannt geworden seien, könne der Verein bei Weiterbeschäftigung dieses technischen Leiters nicht mehr glaubwürdig gegenüber geflüchteten Menschen auftreten.

Fazit: Eine Kündigung wegen Äußerungen im Privatchat ist nur selten möglich

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg ist konsequent und deckt sich mit bereits von anderen Landesarbeitsgerichten gesprochenen Urteilen. Trotz der Schwere der gegen den Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe, macht die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg den Stellenwert des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – auch im Bereich Arbeitsrecht – deutlich und ist daher zu begrüßen.

 

Mein Tipp: Falls Sie eine Kündigung erhalten haben, müssen Sie gem. § 4 KSchG innerhalb einer Frist von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen – auch wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam ist. Wird die Frist nicht eingehalten, kann nur noch ausnahmsweise Klage gegen die Kündigung erhoben werden.

Abfindung ist Verhandlungssache

Einen Anspruch auf Abfindung gibt es nur ausnahmsweise. Grundsätzlich ist dies reine Verhandlungssache. Sie ist ei­ne ein­ma­li­ge (freiwillige) außer­or­dent­li­che Zah­lung, die ein Ar­beit­neh­mer von sei­nem Ar­beit­ge­ber bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses als Entschädi­gung für den Ver­lust des Ar­beits­plat­zes und der da­mit ver­bun­de­nen Ver­dienstmöglich­kei­ten erhält.

Rechtlich gibt es Ausnahmen, bei denen eine Abfindungszahlung für den Arbeitgeber verpflichtend ist:

  1. Bei Auflösung des Arbeitsvertrages und Festsetzung durch das Gericht (sog. Auflösungsabfindung)
  2. Bei Nachteilsausgleich (wenn es keine Verhandlung mit dem Betriebsrat gab)
  3. Bei betriebsbedingter Abfindung in Form eines sozialen Ausgleichs

Höhe der Abfindung 

Für die Höhe der Abfindung gibt es keine feste Regel. Es kommt regelmäßig auf die Verhandlungsposition des Arbeitnehmers an. Hier ist zu empfehlen, sich in Sachen Verhandlung von einem Arbeitsrechtsanwalt vertreten zu lassen. Dieser kann am besten herausfinden, ob die Kündigung unrechtmäßig erging und so eine vergleichsweise höhere Abfindung für Sie erwirken.

 

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